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Aktuelle Meldungen August / September 2002
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
liebe Bioethik-Interessierte,
die Wahlen zum 15. Deutschen Bundestag sind endlich gelaufen und nun wissen wir´s: Gerhard Schröder bleibt auch diesmal knapp Kanzler und wird die nächsten Jahre mit der SPD und Bündnis90/Die Grünen unser Land regieren. Ob das jetzt insgesamt gut oder schlecht ist, sei dahingestellt und werden wir sehen.
Eines steht jedoch schon heute fest. Auch in der nächsten Legislaturperiode werden diverse biopolitische Entscheidungen gefällt werden. Es wird heftig debattiert werden über
- die längst überfällige Reform des § 218.Hier besteht besonders Regelungsbedarf im Bezug auf Spätabtreibungen
- die Einführung der Präimplantationsdiagnostik (PID), der Selektion von Embryonen im Reagenzglas vor einer künstlichen Befruchtung für "gesunden" Nachwuchs.
- ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz
Das deutsche Embryonenschutzgesetz (EschG) von 1990 stellt den Embryo unter den Schutz des Grundgesetzes: seine Würde ist unantastbar. Der Deutsche Bundestag hat mit seiner Entscheidung vom 30. Januar 2002, die Forschung an embryonalen Stammzellen grundsätzlich zu erlauben, die absolute Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens in seiner frühesten Form infrage gestellt. Es ist zu befürchten, das in dem bereits geplanten Fortpflanzungsmedizingesetz, das Fragen rund um die künstliche Befruchtung und den Umgang mit Embryonen neu regeln soll, die Menschenwürde des Embryos einmal mehr den Interessen von Forschern geopfert wird.
- ein Verbot des reproduktiven und therapeutischen Klonen. Einig ist man sich über ein verbot über das reproduktive Klonen, nicht aber, ob auch das Therapeutische Klonen verboten werden soll. Dabei werden genetisch identische menschliche Embryonen erzeugt, die als Stammzelllieferanten diene sollen und dabei nach wenigen Lebenstagen verbraucht und getötet.
- den Umgang mit aktiver Sterbehilfe
- eine Unterzeichnung der umstrittenen Bioethik-Konvention des Europarates mit ihren diversen Zusatzprotokollen (bisher zum Klonverbot, zur Organtransplantation, medizinischen Forschung an Nichteinwilligungsfähigen , weitere folgen).
Hier wird ein Beitritt immer stärker gefordert, denn nur wer das Übereinkommen gezeichnet hat, kann auch die Zusatzprotokolle unterzeichnen.
- eine Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie. Eine Einigung kam bisher nicht zustande, auch wenn sie schon längst überfällig ist.
- ein Gesetz zum Umgang mit genetischen Daten. Hier wurde bereits diskutiert, aber es konnte noch keine Einigung erzielt werden.
- ein Gesetz zur Regelung anonymer Geburten
- eine Reform des Transplantationsgesetzes. Hier wird der Ruf nach einer Kommerzialisierung der Organspende bei Lebendspende laut
Um sich einzustimmen auf das was da noch kommen wird, gibt es nachfolgend eine Auswahl einiger lesenswert Artikel aus den letzten Wochen, sortiert nach Themengebieten. Hier dürfte für jeden etwas dabei sein.
Die Themen im Einzelnen:
- Sterbehilfe / Patientenverfügung / Sterbebegleitung
- Rund um das Thema Pflege und Alter
- Organspende in China
- Thema Schwangerschaft und Abtreibung
- Neues zum Thema Stammzellen
- Neues auf dem Gebiet der roten Gentechnik
- Sonstige lesenswerte Artikel
Die Artikel-Auswahl wurde zusammengestellt aus der Rubrik Presse.
Dort finden Sie weitere chronologisch sortierte Artikel.
Noch eine Anmerkung zu den SPIEGEL-Artikeln: Nachdem das SPIEGEL-Online-Archiv nach nicht näher nachvollziehbaren Kriterien manche Artikel nach ungewisser Zeit nur noch kostenpflichtig anbietet, sollten diese Artikel schnell abgerufen werden, andernfalls kostet es 40 Cent pro Artikel! Bislang sind noch alle ausgewählten Artikel kostenfrei.
Und nun viel Spaß beim Lesen wünscht
Christian Frodl
Sprecher InteressenGemeinschaft Kritische Bioethik Bayern
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Thema Sterbehilfe / Patientenverfügungen / Sterbebegleitung
Fragwürdige Entscheidungen
Obwohl schon lange dafür geworben wird: Patientenverfügungen über einen vorzeitigen
Behandlungsabbruch sind rechtlich nicht verbindlich. Dies soll sich demnächst ändern
von KLAUS-PETER GÖRLITZER
TAZ 27.09.2002
Belgien legalisiert Sterbehilfe
In Belgien trat am Wochenende fast unbemerkt das bisher liberalste Sterbehilfegesetz der Welt in Kraft. Die Reaktionen reichen von "Lizenz zum Töten" bis zum "natürlichen fundamentalen Menschenrecht".
Ärzte Zeitung, 23.09.2002
Sterbehilfe: Peters letzter Wille
In einem Pflegeheim in Bayern liegt ein Mann im Koma. Sein
Vater sagt, sein Sohn will sterben. Seine Pfleger sagen, er will
leben - und weigern sich, ihn sterben zu lassen. Nun müssen Richter entscheiden, ob der Hungertod eines Menschen
erzwungen werden darf. Von Uwe Buse
SPIEGEL 16.09.02
Anmerkung: Langer, aber sehr lesenswerter Artikel zum Thema Wachkoma und Sterbehilfe
Zürich als Hochburg der Sterbehilfe
Euthanasie Sterbehilfe-Tourismus in die Schweiz. Zürich wird zum Mekka für Sterbewillige aus aller Welt. Die Sterbehilfeorganisation Dignitas mit Sitz auf der Forch ZH wird nach Medienberichten von Anfragen überrannt. Fachleute beobachten den Sterbehilfe-Tourismus mit Skepsis.
GRENCHNER TAGBLATT SCHWEIZ 04.09.02
Schmerzfreies Sterben soll auch in Deutschland leichter möglich sein
Bundesärztekammer will die Palliativmedizin aufwerten. Eine optimale Versorgung unheilbar Kranker als Alternative zur aktiven Sterbehilfe
Von Kurt Kieselbach
Königswinter - Medizinische Operationen sind heute schmerzfrei. Dafür sorgt die Anästhesie. Das Sterben dagegen ist oft noch mit starken Schmerzen verbunden. Eine große Hilfe kann die Palliativmedizin sein, doch die ist in Deutschland im Vergleich zu Großbritannien, Spanien und den skandinavischen Ländern noch unterentwickelt. Auf dem "Petersberger Gesundheitssymposium" in Königswinter bei Bonn schlugen Experten jetzt erneut Alarm.
DIE WELT 12.08.02
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Rund um das Thema Pflege und Alter
Pflegebedürftige sollten nicht unter Sparmaßnahmen leiden
Sparmaßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung dürfen nach Auffassung von Bayerns Sozialministerin Christa Stewens nicht zu Lasten von pflegebedürftigen Patienten gehen.
Ärzte Zeitung, 26.09.2002
Hilfsmittel für Heimbewohner muß Kasse zahlen
Auch für Heimbewohner können Ärzte Hilfsmittel der Behandlungspflege grundsätzlich zu Lasten der
gesetzlichen Krankenkassen verordnen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel gestern in
zwei Grundsatzurteilen zu Dekubitus-Matratzen entschieden.
Ärzte Zeitung, 25.09.2002
Früherkennung: Alzheimer hat Vorboten
Relativ unscheinbare Symptome wie Beklemmungszustände oder leichte
Reizbarkeit könnten laut einer Studie Vorboten der Alzheimer-Krankheit
sein. Damit eröffnen sich den Medizinern neue Möglichkeiten der
Frühbehandlung.
SPIEGEL 25.09.02
Alzheimer-Tag: Demenz muß Chefsache sein
Auf die Unterversorgung der rund eine Million Demenzkranken in Deutschland haben gestern die
Fachgesellschaften im Vorfeld des Welt-Alzheimer-Tages hingewiesen und die Politik aufgefordert,
neue Prioritäten zu setzen.
Ärzte Zeitung, 20.09.2002
NEXT-Studie geht Ursachen des Pflegekräftemangels auf den Grund
Ab Herbst dieses Jahres werden 50 000 Pflegekräfte aus fast allen EU-Staaten befragt
NEU-ISENBURG. Fast alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union klagen über Fachkräftemangel in der Pflege. Eine Studie mit europaweit über 50 000 Befragten, finanziert von der EU, soll nun analysieren, wo die Gründe, Umstände und Konsequenzen des Pflegekräftemangels und des vorzeitigen Ausstiegs vieler Pflegekräfte aus ihrem Beruf liegen.
Von Cornelia Durst
Ärzte Zeitung, 04.09.2002
Anmerkung: Sehr lesenswert!
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Organspende in China
Organhandel in China - Kopfschuss für eine Niere
China und der Handel mit den Organen von Hingerichteten.
STERN.DE 24.09.2 14:23:49
Anmerkung: Ein langer erschütternder Artikel, den jeder gelesen haben sollte, der wissen will, was bioethisch in anderen Ländern passiert.
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Thema Schwangerschaft und Abtreibung
CDU/CSU fragt nach Wirkung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
Familie/Kleine Anfrage
Berlin: (hib/RAB) Die Bemühungen der Bundesregierung, die Schutzwirkung des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes zu beobachten, stehen im Mittelpunkt einer Kleinen Anfrage der Union (14/9974).
HIB Nr.224 vom 19.09.02
Immer mehr Mütter sind unter 14 Jahre
DÜSSELDORF (gün). Eine dramatische Entwicklung: Im Jahr 2000 brachten 161 Mädchen unter 14 in Deutschland ein Kind zur Welt. Damit hat sich die Zahl seit 1998 mehr als verdoppelt. Auch die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei Mädchen in dieser Altersgruppe ist stark gestiegen, und zwar um 90 Prozent.
Ärzte Zeitung, 12.09.2002
Leben im Zwischenreich
Fast 400 Babys im Jahr kommen in Deutschland mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm auf die Welt. Die wenigen überlebenden Winzlinge tragen Behinderungen davon. Jetzt hat die Schweizer Ärzteschaft beschlossen, extrem unreife Frühchen lieber sterben zu lassen.
SPIEGEL 19.08.02
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Thema Stammzellen
Stammzellen: Europäische Union verabschiedet Kompromisspapier
Am Montag will die Europäische Union einen langen Streit beenden: In welchem Ausmaß darf Stammzellenforschung sein? Die europäische Lösung geht dabei nicht ganz so weit, wie die deutsche.
Brüssel - Im Streit um das 6. Europäische Forschungsrahmenprogramm haben die Länder sich auf einen Kompromiss einigen können, am Montag wird das Papier in Brüssel verabschiedet.
SPIEGEL 27.09.02
Die moderne Medizin soll vom Klon-Schaf Dolly profitieren
Genforscher Ian Wilmut zeichnet die Vision einer individuell optimierten Therapie mit Arzneien - Forschung mit embryonalen Stammzellen geplant
Die britische Klonforscher und "Dolly-Vater" Professor Ian Wilmut ist gestern in Berlin mit dem Ernst-Schering-Preis 2002 ausgezeichnet worden. Über seine bisherigen und künftigen Forschungsarbeiten sprach mit ihm Norbert Lossau.
DIE WELT 26.09.02
US-Staat Kalifornien erlaubt Forschung mit embryonalen Stammzellen
Die Forschung an embryonalen Stammzellen zu medizinischen Zwecken soll in Kalifornien
grundsätzlich erlaubt werden
Sacramento - Gouverneur Gray Davis unterzeichnete am Sonntag ein entsprechendes Gesetz, das im direkten Widerspruch zu den von der Bundesregierung in Washington befürworteten Einschränkungen steht.
DIE WELT 24.09.02
Keine Forschung mit Embryonen
MADRID dpa Spanien will nicht nur das Klonen von Menschen, sondern auch die umstrittene
Forschung an embryonalen Stammzellen in allen Staaten der Welt verbieten lassen.
TAZ 20.09.02
Stammzellen von der Nationalbank
Großbritannien strebt nach der weltweiten Führung in der Stammzellforschung. Mit staatlicher Lizenz werden Zelllinien aus überschüssigen Embryonen gezüchtet, Ethiker und Kleriker haben ihren Segen dazu gegeben
Von Jürgen Krönig
DIE ZEIT 38/2002 vom 11.09.02
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Neues auf dem Gebiet der "roten" Gentechnik
Privat-Genom auf CD-ROM
Mit der Schnell-Entschlüsselung individueller genetischer Codes wollen bald mehrere Firmen Geld verdienen. Mit dabei ist auch ein alter Bekannter aus der Genomforschung.
Das «1000-Dollar-Genom» ist der vielleicht meistgebrauchte Begriff unter Genom-Forschern derzeit - zumindest unter Genom-Unternehmern. Mehrere Firmen arbeiten weltweit daran. Der komplette individuelle genetische Code, auf CD gebrannt, soll nach ihrer Vorstellung bald zu jeder Patienten-Akte gehören und den Firmen einen stetigen Cash-Flow bescheren.
NETZEITUNG.DE 24.09.02 12:08
Andere Rasse, andere Pille
Mediziner und Genforscher beleben die Rassendiskussion neu: Sie fordern, Medikamente je nach Hautfarbe zu verordnen. Damit wollen sie genetischen Unterschieden gerecht werden
Von Hubertus Breuer
DIE ZEIT 39/2002 vom 18.09.02
Genetischer Fingerabdruck: Erfinder warnt vor Missbrauch
Da bekommt der geistige Vater Angst vor dem eigenen Kind. Professor Sir Alec Jeffreys, Erfinder des genetischen Fingerabdruckes, sieht in den genetischen Datenbänken Großbritanniens einen Akt der Diskriminierung.
SPIEGEL 13.09.02
Fortpflanzungsmedizin: Zeugung ohne Männer
Fortpflanzungsmediziner entwickeln eine neue spektakuläre Technik: die künstliche Schaffung menschlicher Keimzellen. Nach diesem Durchbruch könnten sogar schwule, aber auch lesbische Paare eigene Nachfahren bekommen - und der Mann wäre für die Fortpflanzung überflüssig.
SPIEGEL 09.09.02
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Sonstige lesenswerte Artikel
Schwangerenhormon dämpft Multiple Sklerose
Das Hormon Östriol entsteht in der Plazenta. Einfache Anwendung als Tablette hilft bei der frühen Form von MS
Von Wolfgang W. Merkel
Los Angeles - Ein neuer Wirkstoff kann möglicherweise die Autoimmunerkrankung multiple Sklerose (MS) in einem frühen Stadium lindern und bremsen. Wenn sich die Ergebnisse einer Studie der Universität von Kalifornien in Los Angeles bestätigen, dann nimmt die Schwere und Häufigkeit der Schübe mit dieser Substanz deutlich ab.
DIE WELT 24.09.02
Im Labyrinth der Synapsen
Was macht den Menschen zum Menschen? Ein Streit zwischen Hirnforschern und Philosophen
Von Thomas Assheuer
Wer sich in diesen Zeiten in naturwissenschaftliche Denkfabriken
verläuft, der begegnet gut gelaunten Forschern mit einem fröhlichen Lied
auf den Lippen. Der Refrain, natürlich zum Mitsingen, geht so: Die
Spaltung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ist Schnee von gestern,
der "dritten Kultur" gehört die Zukunft. Der Biologe Hubert Markl hat
gerade wieder im Spiegel den Evergreen von der "dritten" Kultur angestimmt, und er klingt schön. Zu schön, um wahr zu sein?
DIE ZEIT 39/2002 vom 18.09.02
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