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News vom 13.07.12: Rechtsverordnungsentwurf zum Präimplantationsdiagnostik-Gesetz vorgelegt - Kritiker befürchten Ausweitung der Embryonenselektion
Das Bundesgesundheitsministerium hat am 12.07.12 einen Referentenentwurf einer Verordnung zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) vorgelegt. Die Verordnung soll das Präimplantationsdiagnostik-Gesetz (PräimpG) in die Praxis umsetzen. Das Gesetz hatte der Deutsche Bundestag bereits im Juli 2011 verabschiedet und ist am 8. Dezember in Kraft getreten. Es sieht vor, dass Paare, die wegen des hohen Risikos einer schwerwiegenden Erbkrankheit eine vorgeburtliche Embryonenuntersuchung bei künstlicher Befruchtung wünschen, sich an einem hierfür zugelassenen Zentrum beraten und ihren Antrag auf Durchführung der PID von einer Ethikkommission bewerten lassen müssen. Faktisch ist das Gesetz bislang aber mangels Rechtsverordnung und lizensierter PID-Zentren noch nicht anwendbar.
Laut des nun vorgelegten Verordnungsentwurfs sollen ab 2013 Kinderwunschzentren in Deutschland die PID-Methode einsetzen dürfen. Allerdings sorgten die weiteren Details der Umsetzung für scharfe Kritik sowohl von Abgeordneten als auch diversen Verbänden und Kirchenvertretern.
Schwachpunkt fehlende Begrenzung der PID-Zentren
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung kritisierte in einer Presseaussendung, dass der Verordnungsentwurf die Zahl der reproduktionsmedizinischen Zentren, an denen die PID durchgeführt werden kann, nicht begrenzt. "Die zahlenmäßig unbeschränkte Zulassung von PID-Zentren widerspricht dem Geist des Gesetzes, wonach die PID verboten ist und nur in Ausnahmefällen zugelassen werden darf", so Robert Antretter, Bundesvorsitzender der Lebenshilfe. "Außerdem gefährdet sie die Sicherheit von Mutter und Kind, denn unter Qualitätssicherungsaspekten müssen Zentren eine gewisse Mindestzahl an PIDs durchführen, um die Methode exakt zu beherrschen."
Ferner hält es die Lebenshilfe für problematisch, dass der Verordnungsentwurf kaum Spielraum für die bewertenden Ethikkommissionen lässt, die Vornahme einer PID abzulehnen. "Das Gesetz sieht vor, dass die Ethikkommissionen prüfen können, ob ein hohes Risiko für eine schwerwiegende Erbkrankheit besteht. Der mangelnde Beurteilungsspielraum des Verordnungsentwurfs widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes und reduziert die Funktion der Ethikkommission auf die eines Feigenblattes", kritisierte Antretter.
Der Verband wies darauf hin, dass in der ethischen Debatte vor der Verabschiedung des Präimplantationsdiagnostik-Gesetzes im Bundestag immer betont worden sei, die PID dürfe nur in wenigen Ausnahmefällen angewendet werden. Daher fordert die Lebenshilfe, dass die Anforderungen des PID-Gesetzes nicht durch die Ausführungsverordnung aufgeweicht werden.
Auch die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA), Dr. med. Claudia Kaminski kritisierte die fehlende zahlenmäßige Begrenzung der Zentren, in denen künftig eine PID durchgeführt werden soll. Das Papier regle lediglich die Qualitätsanforderungen, denen diese gerecht werden müssen, so Kaminski in einer Presseaussendung vom 13.07.12. "Ausdrücklich sieht der Entwurf vor, dass die Anforderungen auch im Verbund von mehreren reproduktionsmedizinischen Einrichtungen erbracht werden können. Angesichts weit mehr als einhundert solcher Einrichtungen in Deutschland, besteht die Gefahr, dass die PID hierzulande künftig nahezu flächendeckend angeboten werden kann", befürchtet sie.
Gefahr der PID-Ausweitung
"Da zudem das Gesetz, wohl auch um dem Vorwurf der Diskriminierung bestimmter Gruppen von Menschen zu entgehen, nicht genau definiert, in welchen Fällen der Gesetzgeber die Vornahme einer PID für zulässig erachtet und in welchen nicht, erhöht der Verzicht auf eine zahlenmäßige Begrenzung der künftigen PID-Zentren die Gefahr einer Ausweitung. Erschwerend kommt hinzu, dass die PID technisch so kompliziert ist, dass die Mediziner, die sie vornehmen, in der Praxis laufend eine gewisse Mindestzahl an PIDs durchführen müssen, um nicht aufgrund mangelnder Praxis die Kontrolle über die Methode zu verlieren", erklärte Kaminski.
"Die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) fordert daher die Länder auf, in ihren Stellungnahmen darauf hinzuwirken, dass die Durchführung der PID nicht dem Markt überlassen und ihre Begrenzung nicht zur einen völligen Utopie wird. Auch wer, anders als die ALfA, in der Durchführung der PID keinen Verstoß gegen die Menschwürde und das Recht auf Leben zu erblicken vermag, muss ein Interesse daran haben, dass ein vom Gesetzgeber beschlossenes grundsätzliches Verbot nicht durch eine mit gravierenden Mängeln behaftete Rechtsverordnung in sein Gegenteil verkehrt wird", so die ALfA-Bundesvorsitzende abschließend.
Kritik von Unionsabgeordneten
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ingrid Fischbach und die Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Maria Flachsbarth forderten in einer gemeinsamen Pressemitteilung, mit der Rechtsverordnung die engen Grenzen, in denen eine Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, sicherzustellen. "Dazu ist es wichtig, dass eine unabhängige interdisziplinäre Ethikkommission für die Einzelfallprüfung bundesweit eingesetzt wird. Damit wird eine einheitliche Entscheidungspraxis gesichert", so die Abgeordneten. Bislang ist für jedes Bundesland eine Ethikkommission vorgesehen.
Auch die Abgeordneten halten eine begrenzte Zahl an Zentren, an denen in Deutschland die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf und eine Ethikkommission, für ausreichend. "Alles andere würde beträchtliche Zweifel aufkommen lassen, ob die Grenzziehung für zulässige Ausnahmefälle wirklich möglichst eng ist", geben die Unionsabgeordneten zu bedenken. Eine Rechtsverordnung müsse deshalb die ursprüngliche Sorge wirksam entkräften, nach der über eine Ausnahmeregelung eine Tür geöffnet wird, mit der die Präimplantationsdiagnostik zum Regelfall bei künstlichen Befruchtungen werden könnte. "Ein solcher Missbrauch muss durch die Rechtsverordnung eindeutig ausgeschlossen werden", erklärten Fischbach und Flachsbarth.
ZdK-Präsident Glück: Rechtsverordnung zum PID-Gesetz darf nicht in Kraft treten
Kritik kam von kirchlicher Seite vom Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück. Der Referentenentwurf für eine Rechtsverordnung zur Durchführung von Präimplantationsdiagnostik (PID) steht nach Auffassung des ZdK-Präsidenten "im Widerspruch zum Geist des Gesetzes zur Präimplantationsdiagnostik". "Es darf nicht sein, dass der Gesetzgeber an einem grundsätzlichen Verbot der PID festhält und nur in engen Grenzen Ausnahmen zulassen will, die entsprechende Rechtverordnung aber den umgekehrten Weg geht, indem sie auf ein möglichst großes Angebot setzt", betonte Glück in einer Presseaussendung. "Es ist der falsche Weg, praktisch jeder Einrichtung, die über die medizinischen und technischen Möglichkeiten verfügt, die Einrichtung einer eigenen Ethikkommission zu ermöglichen, und damit die Voraussetzung zu schaffen, PID durchzuführen."
Darüber hinaus kritisierte der ZdK-Präsident auch die Regelungen zur Zusammensetzung der Ethikkommissionen. "Es ist verräterisch, dass für die Ethik als Disziplin dort nur einer von acht Plätzen vorgesehen ist", so Glück. Angesichts von nur wenigen Hundert jährlich erwarteten Fällen sei es völlig ausreichend, eine zentrale Stelle und damit auch nur eine Ethikkommission einzurichten, so Glück. Die Konzentration erleichtere es, die Einhaltung der strengen Kriterien für Ausnahmen vom grundsätzlichen PID-Verbot, wie sie der Gesetzgeber gewollt habe, zu sichern. Darüber hinaus sei es auch im Sinne der betroffenen Paare, wenn die Behandlung und die ethische Beurteilung durch erfahrene, hochspezialisierte und mit der nötigen Umsicht und Sensibilität agierende Ärzte, Berater und Ethiker erfolge. "Eine Rechtsverordnung, die in so massiver Weise den Maßstäben des Gesetzes widerspricht und die Intentionen des Gesetzgebers missachtet, darf nicht in Kraft treten", forderte Glück.
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums hat unterdessen am 13.07.12 die Kritik an dem Verordnungsentwurf zurückgewiesen. Es gebe "keinen Grund, jetzt an der Verordnung irgendetwas zu ändern", erklärte er mit Blick auf die anstehenden Anhörungsverfahren Medienberichten zufolge. Der Entwurf ging demnach bereits diese Woche den Gesundheitsministerien der Länder zu, die bis 17. August ihre Stellungnahmen abgeben sollen. Danach muss noch der Bundesrat der Rechtsverordnung zustimmen. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen am Text folgen werden.
Weiterführende Informationen:
Pressespiegel zum Entwurf einer Rechtsverordnung zum Präimplantationsdiagnostik-Gesetz
Nachfolgend finden Sie chronologisch sortiert einige ausgewählte verlinkte Artikel/Pressemitteilungen zur Vorlage des Referentenentwurfs einer Rechtsverordnung zum Präimplantationsdiagnostik-Gesetz
Gesundheitsministerium steht zur PID-Verordnung
Das Bundesgesundheitsministerium hat Kritik an der geplanten Verordnung zur Präimplantationsdiagnostik zurückgewiesen. „Es gibt keinen Grund, jetzt an der Verordnung irgendetwas zu ändern", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums
AERZTEBLATT 13.07.12
Alle Befürchtungen bestätigt
Kirche lehnt Regeln für PID-Zentren kategorisch ab
DOMRADIO 13.07.12
Kritik an neuen Regeln für Embryonen-Tests
Mit einer Verordnung zu Embryonen-Tests hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eine neue Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgelöst.
Von Eva Quadbeck
RP Online 13.07.12
ALfA: Der Entwurf der Rechtsverordnung gefährdet enge Begrenzung der PID
Kaminski: Bildung von PID-Zentren darf nicht dem Markt überlassen werden
Zu dem vom Bundesgesundheitsministerium an die Länder versandten Referentenentwurf zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik erklärt die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA), Dr. med. Claudia Kaminski:
Entgegen aller Vernunft hat der Gesetzgeber im vergangenen Jahr die Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland nicht vollständig verboten, sondern deren Zulassung lediglich begrenzt und damit Selektion und Vernichtung genetisch auffälliger Embryonen Tür und Tor geöffnet. Der nun vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegte Referentenentwurf einer Rechtsverordnung, welche die Durchführung der PID regeln soll, enttäuscht.
PRESSEMITTEILUNG Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) 13.07.12
Gentests an Embryonen sollen ab 2013 möglich sein
AERZTEBLATT.DE 12.07.12
Entwurf für Rechtsverordnung: Ministerium regelt Gentests an Embryonen
SPIEGEL Online 12.06.12
PID: Bahrs Verordnung erzürnt die CSU
Wenn schon Präimplantationsdiagnostik (PID), dann nur in wenigen Zentren - das war die Hoffnung der PID-Gegner. Doch jetzt werden sie von Gesundheitsminister Bahr enttäuscht. Die CSU geht bereits auf die Barrikaden.
Von Florian Staeck
Ärzte Zeitung online, 12.07.12
Freie Bahn für Embryonencheck
Seit 2011 ist die PID in engen Grenzen straffrei. Die Durchführung wird nun erst geregelt – eine Ablehnung des Tests der Embryonen wird dadurch fast unmöglich.
von Heike Haarhoff
TAZ 12.07.12
PID-Gegner laufen wieder Sturm: Die Angst vor dem "Normalfall"
Wer die Gendiagnostik an Embryonen auf welche Weise machen soll, sorgt für neuen Streit. Befürchtet wird die unkontrollierte Vorsortierung menschlichen Lebens.
Von Heike Haarhoff
TAZ 12.07.12
Es ist nicht Daniel Bahrs Schuld
Die Gegner der PID offenbaren ein merkwürdiges Demokratieverständnis
Kommentar von Heike Haarhoff
TAZ 12.07.12
Gentests an Embryonen sollen ab 2013 möglich sein
Berlin – Paare mit schweren Erbkrankheiten können ab dem kommenden Jahr auf Gentests an künstlich erzeugten Embryonen hoffen.
AERZTEBLATT.DE 12.07.12
Referentenentwurf einer Verordnung über die rechtmäßige Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV)
Stand 11.07.12, 30 Seiten
Präimplantationsdiagnostik: Bahr bestimmt Spielregeln für Gentests an Embryonen
STERN.DE 12.07.12
Präimplantationsdiagnostik - Erbgut unter der Lupe
Paare mit schweren Erbkrankheiten können ab 2013 auf Gentests an künstlich erzeugten Embryonen setzen. Bundesgesundheitsminister Bahr (FDP) hat einen Entwurf vorgelegt, der die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) regeln soll.
DER WESTEN 12.07.12
Zahl der Ethikkommissionen für die PID muss begrenzt werden
Rechtsverordnung über die rechtmäßige Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik
Die geplante Rechtsverordnung für Gentests an Embryonen sieht Spezialzentren vor, die unter strengen Voraussetzungen die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) durchführen. Dazu erklären die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ingrid Fischbach und die Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Maria Flachsbarth:
„Die Rechtsverordnung über die rechtmäßige Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik muss die engen Grenzen, in denen eine Präimplantationsdiagnostik durchgeführt werden darf, sicher stellen.
PRESSEMITTEILUNG CDU/CSU-Bundestagsfraktion 12.07.12
Fragen und Antworten: Was kann die Präimplantationsdiagnostik?
FOCUS-Online 12.07.12
Gentests an Embryonen sollen ab 2013 möglich sein
WELT Online 12.07.12
Die Angst vor der uferlosen Embryonen-Auslese
Das Gesundheitsministerium hat eine Verordnung zur Präimplantationsdiagnostik vorgelegt – und erntet prompt Proteste bei Union und Grünen. Kritiker fürchten eine uferlose Ausweitung der PID.
Von Matthias Kamann
WELT Online 12.07.12
Angst vor Auslese von Embryonen durch Gentests: Kritik an Verordnung zur Präimplantations-Diagnostik
FOCUS-Online 12.07.12
Bischof Fürst warnt vor Folgen von Gen-Bluttests an Schwangeren
DOMRADIO 12.07.12
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